Überholen bei unklarer Verkehrslage

Sachverhalt:  ein PKW  ist  nach rechts auf ein Privatgrundstück abgebogen und hat sich zuvor strassenmittig eingeordnet. Der Fahrer des  hinter dem PKW befindlichen Motorrades war der Annahme, dass der PKW nach links abbiegen würde und hat rechts überholt, worauf es zur Kollision kam.

Im Berufungsverfahren hat das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 18.01.2013, 13 S 158/12) eine Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des PKW-Fahrers angenommen. Dieser Haftungsverteilung lagen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: gemäß § 9 Abs. 5 StVO muss sich derjenige, der auf ein Grundstück abbiegt,  so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.  Da es sich hierbei um die höchste – in der Straßenverkehrsordnung normierte – Sorgfaltspflicht handelt, hat eine Verletzung dieser Pflicht oftmals eine Alleinhaftung des Abbiegers zur Folge. Ferner muss der Abbieger seine Absicht abzubiegen, nach § 9 Abs. 1 StVO rechtzeitig anzeigen.

Im vorliegenden Fall war dem Motorradfahrer trotzdem ein Haftungsanteil  von 1/3 entgegen zuhalten, da er vorschriftswidrig rechts überholt hat. Denn nach § 5 Abs. 1 StVO ist grundsätzlich links zu überholen bzw. vorbeizufahren.  Rechts darf nur dann überholt werden, wenn sich der vorausfahrende Abbieger entsprechend eingeordnet und rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat. Ist dies nicht eindeutig geschehen, ist von einer unklaren Verkehrslage gemäß  § 5 Abs. 3 StVO auszugehen, die einen Überholvorgang verbietet. Von einer unklaren Verkehrslage ist  immer dann auszugehen, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, wie sich der Vorausfahrende sogleich verhalten wird.

Eine unklare Verkehrslage hat das Landgericht Saarbrücken deshalb angenommen, weil der Autofahrer nicht links geblinkt hat und das  mittige Einordnen allein nicht ausreicht hat, um rechts überholen zu dürfen.

 

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Ronald Hofmeister, Arnstadt, am 28.04.2013 eingestellt.