Im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses treffen den Versicherungsnehmer zahlreiche sogenannte Obliegenheiten, deren Verletzung zum Wegfall des Versicherungsschutzes oder zu einer Leistungskürzung führen kann. Eine der Wichtigsten ist die Aufklärungsobliegenheit. Danach ist der Versicherungsnehmer bei einem Schaden gehalten, seinen Versicherer vollständig, zeitnah und wahrheitsgemäß zu informieren, damit dieser eine sachgemäße Regulierungsentscheidung treffen kann.
Bei einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort geht die Rechtsprechung regelmäßig von einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit aus, weil der Versicherer konkrete Feststellungen nicht mehr treffen kann und diese auch nachträglich, das heißt zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich sind. Insbesondere lassen sich zu einem späteren Zeitpunkt keine Feststellungen mehr zu einer möglichen Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung des am Unfall beteiligten und sich unerlaubter Weise entfernten Fahrzeugführers treffen. Dies hat zur Folge, dass der Versicherer, insbesondere in der Kaskoversicherung leistungsfrei ist.
Von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 21.11.2012, Az.: IV ZR 97/11, eine Einschränkung gemacht. Kommt nämlich der Versicherungsnehmer, der sich nach einem Verkehrsunfall unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, seiner Picht zur unverzüglichen Ermöglichung der nachträglichen Feststellung seiner Personalien nicht rechtzeitig nach, informiert aber stattdessen seinen Versicherer unverzüglich im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB, begründet allein die zuvor erfolgte Unfallflucht keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit.
In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der Versicherungsnehmer gegen 01:00 Uhr morgens in einen Verkehrsunfall verwickelt. Nach dem Unfall hat er den ADAC verständigt, welcher sein beschädigtes Fahrzeug abgeschleppt hat. Die Polizei wurde allerdings nicht verständigt. Allerdings hat der Versicherungsnehmer unmittelbar nach dem Verlassen des Unfallortes seine Versicherung verständigt.
Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass bei einer nachträglichen, unverzüglichen Verständigung der Versicherungsgesellschaft ein Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit nicht besteht, weil auch in diesen Fällen noch zeitnah geklärt werden kann, ob der Versicherungsnehmer zum Unfallzeitpunkt möglicherweise alkohol- oder drogenbedingt nicht fahrtauglich war. Weiter hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass der Versicherer unverzüglich im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB vom Unfall informiert worden sein muss. Wann allerdings eine spätere Meldung nach dem Unverzüglichkeitsgebot angenommen werden kann, lässt sich nicht verallgemeinern, sondern ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Kriterien für die Bestimmung der Unverzüglichkeit sind der Unfallzeitpunkt, die Schadenshöhe und die Erreichbarkeit des Feststellungsberechtigten. Bei nächtlichen Unfällen mit einer eindeutigen Haftungslage kann die Unverzüglichkeit sogar noch dann bejaht werden, wenn der Unfallbeteiligte bis zum frühen Vormittag des darauffolgenden Tages die Feststellung ermöglicht hat.
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Ronald Hofmeister, Arnstadt, am 25.03.2013 eingestellt.