Bei einigen Verkehrsordnungswidrigkeiten ist nicht nur die Verhängung eines Bußgeldes, sondern darüber hinaus auch die Anordnung eines Fahrverbotes vorgesehen. Unter anderem bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 30 km/h innerorts und von mehr als 40 km/h außerorts, bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von LKW-Fahrern von mehr als 20 km/h, wenn innerhalb eines Jahres zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen mit jeweils mehr als 25 km/h begangen wurden, der Sicherheitsabstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h unterschritten wurde, beim Überholen oder Fahrstreifenwechsel mit Gefährdung Dritter oder einer Sachbeschädigung und schließlich beim Überfahren des Rotlichts nach mehr als einer Sekunde.
In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann allerdings von der Anordnung eines Regelfahrverbotes abgesehen werden, wenn ein Fall des sogenannten Augenblicksversagens vorliegt, die berufliche Existenz gefährdet ist oder ein erheblicher Zeitablauf zwischen Tatbegehung und Erlass des Bußgeldbescheides liegt. Allerdings werden von den Tatgerichten und den Rechtsbeschwerdegerichten sehr hohe Anforderungen an ein Absehen vom Regelfahrverbot gestellt.
Im Folgenden wird ausgeführt, wann unter anderem von einem Augenblicksversagen ausgegangen werden kann.
Grundlage der Rechtsprechung zum Augenblicksversagen ist unter anderem ein Urteil des IV. Strafsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1997. In dem Urteil hat der BGH ausgeführt, dass die Anordnung eines Fahrverbotes wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Betracht kommt, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung darauf beruht, dass der Betroffene infolge einfacher Fahrlässigkeit das geschwindigkeitsbegrenzende Verkehrszeichen übersehen hat und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung hätte aufdrängen müssen.
Entscheidend ist hierbei, ob das geschwindigkeitsbeschränkende Schild lediglich infolge einfacher Fahrlässigkeit übersehen wurde. Von einfacher Fahrlässigkeit kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Fahrer während der Fahrt mit seinem Handy ohne Freisprechanlage telefoniert hat. Ferner geht die Rechtsprechung nicht mehr von einfacher Fahrlässigkeit aus, wenn sich das geschwindigkeitsbegrenzende Schild kurz hinter einer Autobahnauffahrt befindet. Denn die Rechtsprechung verlangt von Kraftfahrern, die auf einer Autobahn auffahren, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Wenn hierbei ein Schild übersehen wird, ist davon auszugehen, dass der Betroffene die erforderliche Aufmerksamkeit nicht hat walten lassen und demzufolge keine einfache Fahrlässigkeit vorliegt. Gleiches gilt bei einem sogenannten Geschwindigkeitstrichter, wo die erlaubte Geschwindigkeit in mehreren Stufen reduziert wird, wie zum Beispiel 130 km/h, 100 km/h, 80 km/h. Auch mehrere, in kurzen Abständen aufgestellte Schilder erfordern eine erhöhte Aufmerksamkeit, sodass auch hier nicht mehr von einfacher Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann.
Im Einzelfall ist deshalb zu prüfen, ob das geschwindigkeitsbegrenzende Schild unter Berücksichtigung der örtlichen Begebenheiten und der konkreten Verkehrssituation lediglich infolge einfacher Fahrlässigkeit übersehen wurde oder nicht. Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens ist es deshalb wichtig, diese Umstände richtig zu werten und entsprechend zu argumentieren.
Ein Augenblicksversagen kann aber auch dann vorliegen, wenn die Beschilderung nicht eindeutig war oder sich der Betroffene über den Regelungsgehalt der Schilder geirrt hat, er also fälschlicherweise der Annahme war, schneller fahren zu dürfen.
In einem vom Oberlandesgericht Bamberg (Beschluss vom 06.06.2012, 2 Ss OWI 563/12) entschiedenen Fall befanden sich auf einer Schilderstange zwei Verkehrszeichen. Das Obere hatte eine Geschwindigkeitsbeschränkung und das Untere ein Überholverbot zum Gegenstand. Unter dem Überholverbotsschild befand sich ein Zusatzschild. Grundsätzlich bezieht sich ein Zusatzschild nur auf das unmittelbar darüber befindliche Verkehrszeichen, vorliegend also auf das Überholverbot nicht aber das geschwindigkeitsbegrenzende Schild. Der hier in Rede stehende Kraftfahrer ist aber irriger weise davon ausgegangen, dass sich das Zusatzschild auch auf die Geschwindigkeitsbegrenzung erstreckt hat und meinte deshalb, schneller fahren zu dürfen als tatsächlich erlaubt war. Das OlG Bamberg hat hierzu klargestellt, dass aufgrund eines derartigen Irrtums die Anordnung eines Fahrverbotes entfallen kann.
Ein Ortseingangsschild hat, wie allgemein bekannt ist, eine geschwindigkeitsbegrenzende Wirkung. Aber auch ein Ortseingangsschild kann, insbesondere von ortsunkundigen Fahrern, übersehen werden. Die Anordnung eines Fahrverbotes kann allerdings nur dann entfallen, wenn sich nicht schon aus den aus den örtlichen Gegebenheiten, insbesondere aus Art und Umfang der Bebauung, der Rückschluss, sich innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zu befinden, aufdrängt. Hiervon wird man dann ausgehen können, wenn sich im Messbereich hinter dem Ortseingangsschild eine überwiegend freie und unbebaute Fläche befindet.
Wenn von der Anordnung eines Regefahrverbots abgesehen wird, ist dann allerdings das Bußgeld angemessen zu erhöhen, wobei es oftmals verdoppelt wird.
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Ronald Hofmeister, Arnstadt, am 30.5.2013 eingestellt.