Wie funktioniert PoliScan-Speed?
Die Fa. Vitronic vertreibt das Geschwindigkeitsmessgerät PoliSan-Speed als stationäre und mobile Anlage an. Während herkömmliche Lasermessgeräte mit lediglich einem Laserstrahl die gefahrene Geschwindigkeit messen, werden von dem Gerät PoliScan-Speed 158 Laserstrahlen ausgesendet, die wie ein Fächer innerhalb eines Winkels von 45 Grad über die Fahrbahn geworfen werden. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgt auf Basis einer Laserpuls-Laufzeitmessung, wobei die Laserstrahlen unabhängig von der Fahrtrichtung einen Bereich zwischen 10 m und 75 m erfassen. Weiterhin ist es möglich, die für verschiedene Fahrzeugklassifikationen vorgegebenen Höchstgeschwindigkeiten zu erkennen und zu messen.
Damit ein Geschwindigkeitsmesswert gebildet werden kann, muss das gemessene Fahrzeug über eine Wegstrecke von mindestens 10 m auswertbare Signale liefern. Für jeden Fahrstreifen gibt es eine Position, die für die fotografische Dokumentation (insbesondere für die Erkennbarkeit des Fahrzeugführers) optimal ist. Da diese Stelle nicht mit dem Ende der Geschwindigkeitsmesswertbildung identisch ist und sich zudem noch andere Fahrzeuge im Messbereich befinden können, muss sicher gestellt sein, dass der Messwert auch dem richtigen Fahrzeug zugeordnet wird. Aus diesem Grund wird mit Auslösung der Fotokamera gleichzeitig ein Auswerterahmen in das Messfoto eingeblendet. Dieser rechteckige Rahmen muss sich auf einer bestimmten Stelle der Fahrzeugfront des gemessenen Fahrzeuges befinden. Ist dies nicht der Fall, kann die Messung mangels eindeutiger Zuordnung nicht verwertet werden. Es gibt aber noch weitere Konstellation, die zumindest Zweifel an der Korrektheit der Messwertbildung und Messwertzuordnung begründen können Dies ist aber zu spezifisch, um es an dieser Stelle zu vertiefen. Im Übrigen haben sich einige Sachverständigenbüros auf die Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen spezialisier. Diese sind in der Lage, Fehler beim Messverfahren zu erkennen. Die Kosten für ein Gutachten werden in der Regel auch von den Rechtsschutzversicherungen getragen.
Weshalb gab es von einigen Amtsgerichten Freisprüche?
Bei PoliScan-Speed handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren. Hierunter ist ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren zu verstehen, bei welchem die Bedingungen der Messung und deren Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Um dies zu gewährleisten, benötigen die Messverfahren eine Zulassung von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Ferner müssen die Komponenten der Messanlage eine gültige Eichung aufweisen.
Wenn einem Fahrzeugführer durch ein standardisiertes Messverfahrens ein Verkehrsverstoß nachgewiesen wird, darf der Bußgeldrichter ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Messung fehlerfrei erfolgt ist. Dies selbst dann, wenn der Betroffene behauptet, seine Geschwindigkeit sei zu seinen Lasten unzutreffend ermittelt worden. Erst dann, wenn konkrete Umstände dargelegt werden, die eine Fehlerhaftigkeit der Messung begründen können, muss der Bußgeldrichter die Messung – gegebenenfalls durch einen Sachverständigen – überprüfen.
Mehre Oberlandesgerichte vertreten die Auffassung, dass PoliScan-Speed ein standardisiertes Messverfahren und mangels konkreter Anhaltspunkte für einen Messfehler grundsätzlich von einer Geschwindigkeitsüberschreitung auszugehen ist.
Entgegen dieser OLG- Rechtsprechung haben nunmehr einige Amtsgerichte ( u.a. Amtsgericht Aachen, Urteil vom 10.12.2012; Amtsgericht Herford, Urteil vom 11.03.2013; Amtsgericht Königstein/Taunus, Urteil vom 08.04.2013) Betroffene vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen, obwohl es keine konkreten Anzeichen für einen Messfehler gab.
Begründet wurde dies unter anderem damit, dass sich der Gerätehersteller geweigert hat, relevante Daten, die für die Messwertbildung und deren Überprüfung erforderlich sind, der PTB zur Verfügung zu stellen. Ohne diese Daten sei es jedoch nicht möglich, die gemessene Geschwindigkeit nachträglich einer Richtigkeitskontrolle durch Sachverständige zu unterziehen. Zwar sei es nachvollziehbar, dass bei einer Herausgabe der Daten betriebliche Interessen tangiert werden und die Gefahr einer Nachahmung des Messverfahrens besteht. Im Rahmen einer Güterabwägung haben aber die Geheimhaltungsinteressen des Geräteherstellers hinter der Wahrheitsfindung in einem gerichtlichen Verfahren zurück zu stehen.
Welche Auswirkungen haben die amtsgerichtlichen Urteile?
Meines Wissens werden im Ilm-Kreis noch keine Geschwindigkeitsmessungen mit PoliScan-Speed durchgeführt. In Weimar wurden aber bereits einige stationäre Geräte installiert, weitere sind geplant. Die ersten Verfahren beim Amtsgericht Weimar stehen bevor. Wie das Amtsgericht Weimar entscheiden wird, ist offen. Sollte sich das AG Weimar den Amtsgerichten Königstein, Herford und Aachen anschließen und Betroffene vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung freisprechen , ist aber davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde beim Thüringer Oberlandesgericht einlegen wird. Die Entscheidung des Thüringer OLG wäre dann für sämtliche Thüringer Amtsgerichte maßgebend. Dies bedeutet, dass es nach der aktuellen Rechtsprechung einiger Amtsgerichte gewisse Aussichten auf einen Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung gibt, dies aber keineswegs sicher ist.
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Ronald Hofmeister, Arnstadt, am 15.06.2013 eingestellt.