Anforderungen an die Verwertbarkeit von Messfotos

Wenn ein Fahrzeugführer nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung, einer Abstandsunterschreitung oder dem Überfahren einer roten Ampel  bestreitet, gefahren zu sein oder keine Angaben zum Tatvorwurf macht, muss ihm die Tat nachgewiesen werden. Bei den meisten Verfahren wird hierfür ein Tat- oder Beweisfoto gemacht.  Der Bußgeldrichter muss dann den Fahrer  anhand des Fotos identifizieren, was bei einer schlechten Bildqualität oder  einem zum Teil verdeckten Gesicht nicht immer mit der erforderlichen Sicherheit möglich ist.

Auf vielen Anhörungsbögen oder Bußgeldbescheiden ist bereits ein Foto enthalten. Bei diesen Fotos (wie auch  den Fotos, die sich in der Akte der Bußgeldbehörde befinden und die der Verteidiger zur Einsichtnahme erhält)handelt es sich um sog. Printerfotos, deren Qualität relativ schlecht ist. Sollte der Fahrer auf diesem Printerfoto nicht zu erkennen sein, ist dies unbeachtlich, da dem Bußgeldrichter qualitativ hochwertige Fotos zur Verfügung gestellt werden. Wenn der Richter daraufhin den Betroffenen  als Fahrer identifiziert, muss er im Urteil auch begründen, weshalb. Bei qualitativ guten Fotos ist der Begründungsaufwand sehr gering.  Es muss im Urteil nur ausgeführt werden,  dass auf dem Foto das Gesicht einer männlichen (oder bei einer Frau einer weiblichen) Person zu erkennen ist und es sich hierbei um den Betroffenen handelt.

Bei schlechter Bildqualität oder wenn das Gesicht teilweise verdeckt ist (z.B. wenn der Fahrer einen Sturzhelm oder eine Sonnenbrille trägt, das Gesicht insgesamt oder einzelne  Gesichtspartien infolge Unschärfe oder Körnung nicht klar zu erkennen sind, der Stirnbereich durch eine Sonnenblende oder ein Basecap verdeckt ist,  andere Teile des Gesicht durch den Innenspiegel oder andere Gegenstände  verdeckt sind.) muss der Richter zusätzlich ausführen, weshalb ihm eine Identifizierung dennoch möglich ist.  Hierfür muss er  charakteristische Merkmale zur Identifizierung benennen und erläutern, weshalb eine Übereinstimmung zwischen dem Foto und dem Betroffenen besteht. Dies können z.B. die Augen-, Mund- und Nasenpartie, die Form der Ohren, die Kinnform, die Augenbrauen oder der Haaransatz sein. Die Begründung muss  aber so ausführlich sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Begründung prüfen kann, ob das Foto für eine Identifizierung  überhaupt geeignet ist.  Im Rahmen einer Hauptverhandlung  sollte deshalb  unbedingt darauf geachtet werden, ob diese Erfordernisse erfüllt sind. Sofern auch nur geringe Zweifel  hieran  bestehen, wäre zu erwägen Rechtsbeschwerde einzulegen oder falls diese nicht zulässig ist Antrag auf Zulassung der Rechtbeschwerde zu stellen. Im Erfolgsfall  gibt es einen Freispruch/Verfahrenseinstellung  oder zumindest eine Zurückverweisung an das Amtsgericht.

Da einige Richter den nicht unerheblichen Begründungsaufwand und das Risiko einer Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht scheuen, kann dies durch Einholung eines anthropologischen Gutachtens  umgangen werden. Dies ist aber auch mit erheblichen rechtlichen Problemen verbunden. In der Rechtsprechung und forensischer Forschung  ist nämlich umstritten, welche und viele Vergleichsmerkmale zu berücksichtigen sind.

Fazit:  Wenn das  Foto  qualitative Mängel aufweist,  besteht im  jeweiligen Einzelfall die Möglichkeit eines Freispruchs oder Verfahrenseinstellung.

Bitte beachten: Insbesondere bei Verstößen, die  mit einem Fahrverbot oder mehreren Punkten geahndet werden, besteht die Versuchung, eine  andere (unbelastete und hierzu auch bereite Person) als Fahrer anzugeben. Selbst wenn diese Person gegenüber der Bußgeldstelle auch angibt, gefahren zu sein,  kann dies gefährlich werden. Vor geraumer Zeit haben die Bußgeldstellen die Fahreridentität selbst dann nicht geprüft, wenn auf dem Foto eine männliche Person abgebildet war, sich aber eine Frau als Fahrerin  ausgegeben hat. Dies hat sich grundlegend geändert. Von den Bußgeldstellen werden in der Regel  die bei den Meldeämtern hinterlegten Passfotos angefordert um einen Abgleich vorzunehmen. Sollten hierbei Zweifel  auftreten, werden auch Fahrerermittlungen vor Ort durch Polizeibeamte vorgenommen.  Dabei muss es aber nicht bleiben. Einige Bußgeldbehörden u.a. das Polizeipräsidium in Kassel leiten Strafverfahren ein, wenn der Verdacht besteht, dass eine andere Person als Fahrer vorgeschoben wurde. Diese Verhaltensweise kann nämlich den Straftatbestand  des § 164 StGB   (Falsche Verdächtigung) erfüllen. Das bei einer Verurteilung zu erwartende Strafmaß dürfte deutliche schwerer wiegen  als ein Bußgeld mit Fahrverbot.

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Ronald Hofmeister, Arnstadt, am 13.07.2013 eingestellt.